Der Mercedes Abgasskandal

Daimler muss im Abgasskandal eine Mercedes V-Klasse zurücknehmen und dem Kläger den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer erstatten. Das hat das Landgericht Stuttgart mit Urteil vom 4. September 2020 entschieden (Az. 23 O 231/19). Das Urteil hat Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser für seinen Mandanten erstritten.

Der Kläger hatte den Mercedes V 220 Blue Efficiency Marco Polo Edition im Juli 2017 für knapp 57.000 Euro gekauft. Das mit dem Dieselmotor OM 651 und der Abgasnorm Euro 6 ausgerüstete Wohnmobil wies zum Zeitpunkt des Kaufs eines Laufleistung von 1.500 Kilometer auf.

Es stellte sich jedoch heraus, dass in dem Camper eine unzulässige Abschalteinrichtung verwendet wird. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) ordnete einen verpflichtenden Rückruf für das Modell im Zusammenhang mit dem Emissionskontrollsystem (SCR-System) an. „Mein Mandant hatte die Freude an seinem Wohnmobil verloren. Er ließ zwar noch das Software-Update aufspielen, wollte das Fahrzeug aber zurückgeben. Da Daimler sich darauf nicht einließ, haben wir Klage erhoben und Schadenersatzansprüche wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen geltend gemacht. Mit Erfolg, das Gericht ist unserer Argumentation gefolgt“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Gasser.

Die Klage stützte sich darauf, dass bei dem Mercedes V 220 gleich mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen zum Einsatz kommen. Einerseits werde die Abgasrückführung außerhalb eines Thermofensters von 7 bis 30 Grad abgeschaltet, andererseits würden auch Funktionen wie die Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung, SCR-Katalysator-System oder Slipguard-Funktion verwendet. Dadurch werde erkannt, ob sich das Fahrzeug im Prüfmodus befindet, so dass die Emissionen dann reduziert werden. Im realen Straßenverkehr sind die Funktionen dann deaktiviert, so dass die Stickoxid-Emissionen deutlich angsteigen.

Daimler stritt die Vorwürfe zwar ab, konnte sie aber auch nicht widerlegen. Das Fahrzeug verfüge über mindestens eine unzulässige Abschalteinrichtung. Der Kläger sei dadurch vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden und habe Anspruch auf Schadenersatz, entschied das LG Stuttgart.

Auch wenn das KBA keine detaillierten Gründe für den Rückruf des Fahrzeugs veröffentlicht hat, sei aber klar, dass er aufgrund einer unzulässigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (SCR-System) erfolgt sei, so das Gericht. Da das KBA keine Details genannt hat, könne vom Kläger nicht verlangt werden, dass er darlegt, welche Steuerungsfunktion Gegenstand des Rückrufs war und wie diese Funktion genau funktioniert.

Dies könne aber von Daimler im Rahmen der sekundären Darlegungslast erwartet werden, führte das Gericht weiter aus. Hinter Betriebsgeheimnissen brauche sich Daimler nicht zu verstecken. Denn es sei nicht ersichtlich, dass eine Funktion, die bereits Gegenstand eines behördlichen Rückrufs ist, sich den Konkurrenten zur Nachahmung empfiehlt, fand das LG Stuttgart deutliche Worte.

Daimler trug aber nur wenig Erhellendes zu den beanstandeten Funktionen bei. Ein teilweise geschwärztes Schreiben des KBA zur Freigabe des Updates sei jedenfalls nicht aussagekräftig. Den Rückrufbescheid des KBA legte Daimler nicht vor. Ebensowenig legte der Autohersteller dar, warum die beanstandete Funktion ausnahmsweise aus Motorschutzgründen zulässig sein sollte.

Unterm Strich kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass zumindest im Hinblick auf das SCR-System eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt.

Dem Kläger sei damit schon mit Abschluss des Kaufvertrags ein Schaden entstanden, denn ein Käufer dürfe davon ausgehen, dass ein Fahrzeug den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Es könne davon ausgegangen werden, dass er das Fahrzeug bei Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht gekauft hätte. Der Kaufvertrag wird daher rückabgewickelt. Gegen Rückgabe des Fahrzeugs und nach Abzug einer Nutzungsentschädigung in Höhe von ca. 6.800 Euro für die gefahrenen ca. 35.500 Kilometer erhält der Kläger rund 51.000 Euro Schadenersatz.

„Inzwischen haben einige Gerichte Daimler im Abgasskandal verurteilt. Das aktuelle Urteil des Landgerichts Stuttgart zeigt, dass gute Chancen bestehen, Schadenersatzansprüche durchzusetzen“, so Rechtanwalt Dr. Gasser, Kooperationspartner der IG Dieselskandal.

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