Ein Audi von vorne

Schon im Januar 2018 hatte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) einen verpflichtenden Rückruf für diverse Audi-Modelle mit 3-Liter-Dieselmotoren der Schadstoffklasse Euro 6 wegen einer unzulässigen Abschalteirichtung angeordnet. Betroffen sind die Modelle A4, A5, A6, A7, A8, Q5, SQ5 und Q7. Die Behörde hat Audi aufgefordert, bis Februar 2018 ein Motorsoftware-Update für die betroffenen Modelle vorzulegen und nach Freigabe durch das KBA die Fahrzeuge innerhalb von 18 Monaten nachzurüsten.

Passiert ist seitdem nicht allzu viel. Audi hinkt bei den Updates offensichtlich hinterher, wie Recherchen des Handelsblatts und Bayerischen Rundfunks zeigen. Auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen habe das Bundesverkehrsministerium mitgeteilt, dass bisher nur für die Modelle Audi Q5 und Audi SQ5 tragfähige Software-Updates vorliegen, berichtet das Handelsblatt am 3. September 2019. Für die betroffenen Modellreihen des A4, A5, A6, A7, A8 und Q7 lägen hingegen noch keine vollständigen Unterlagen für ein Software-Update vor. Dementsprechend konnte noch keine Freigabe für die Software-Updates erteilt werden, heißt es in der Antwort des Bundesverkehrsministeriums.

Die Lesart bei Audi ist eine andere. Der Autohersteller teilt mit, dass bei den Modellen der Schadstoffklasse Euro 6 fünf von insgesamt acht Bescheiden zu Modellen mit V6- bzw. V8-TDI-Motor „in der Umsetzung seien“, berichtet das Handelsblatt weiter. Bei Fahrzeugen mit der Abgasnorm Euro 5 handele es sich um eine freiwillige Servicemaßnahme. Für rund 75 Prozent der Fahrzeuge habe Audi hier die Freigabe erhalten. Klar ist dennoch, dass Audi bei den Updates hinterherhinkt. Denn eigentlich sollten tragfähige Lösungen schon im Februar 2018 präsentiert werden. Offenbar liegt auch immer noch keine Lösung für den Audi A8 mit 4,2 Liter Dieselmotor der Schadstoffklasse Euro 6 vor, bei dem die Abgasemissionen die Grenzwerte besonders deutlich überschreiten und für den schon vor ca. zwei Jahren der Rückruf angeordnet wurde.

Schon im Juli hatten Recherchen des Bayerischen Rundfunks ergeben, dass Audi bei den manipulierten Fahrzeugen häufig mehrere Abschalteinrichtungen verwendet hat. Es stellt sich nun die Frage, ob Audi bei der Entwicklung der Software-Updates vor erheblichen technischen Schwierigkeiten steht.

„Die Verzögerung bei den Updates kann für die Eigentümer der Fahrzeuge erhebliche Auswirkungen haben. Das KBA hat die Möglichkeit, den betroffenen Modellen ohne Update die Typengenehmigung zu entziehen. Dann droht die Zwangsstilllegung der Fahrzeuge“, sagt Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser. Dementsprechend verlieren die Fahrzeuge erheblich an Wert. Ein Verkauf ist meist nur mit erheblichen finanziellen Abstrichen möglich.

„Die betroffenen Audi-Käufer haben einen Anspruch auf Beseitigung des Mangels. Wenn Audi dazu nicht in einem angemessenen Zeitraum in der Lage ist, können auch Schadensersatzansprüche oder die Rückabwicklung des Kaufvertrags geltend gemacht werden. Ein noch längeres Warten auf das Software-Update ist den betroffenen Audi-Käufern nicht zumutbar“, so Rechtsanwalt Dr. Gasser.

Bei der Rückabwicklung des Kaufvertrags gibt der Käufer gegen Erstattung des Kaufpreises das Fahrzeug zurück. Zumeist muss er sich für die gefahrenen Kilometer eine Nutzungsersatz anrechnen lassen. Ob in diesen Fällen eine Nutzungsentschädigung verlangt werden kann, hält Rechtsanwalt Dr. Gasser für fraglich. Mit der Rückabwicklung des Kaufvertrags soll der Geschädigte so gestellt werden als ob er den Kaufvertrag nie abgeschlossen hätte. Das heißt auch, dass ihm zugeflossene Vorteile durch den Nutzungsersatz anzurechnen sind. Dazu müssen aber verschieden Voraussetzungen erfüllt sein. So muss u.a. die Anrechnung mit dem Zweck des jeweiligen Ersatzanspruchs übereinstimmen, die Anrechnung muss für den Geschädigten zumutbar sein und sie darf den Schädiger nicht unangemessen entlasten.

„Audi ist für die Verzögerungen beim Software-Update aus welchen Gründen auch immer verantwortlich. Für die betroffenen Audi-Käufer bedeutet dies, dass sie einerseits mit der Stilllegung ihres Fahrzeugs rechnen müssen und andererseits ein Weiterverkauf unter diesen Umständen nur mit finanziellen Abstrichen möglich ist. Zudem hat der VW-Vorstandsvorsitzende im Juni 2019 bei Markus Lanz im ZDF im Zusammenhang mit dem Abgasskandal vor laufenden Kameras Betrug eingeräumt. Insgesamt spricht daher vieles dafür, dass Audi-Geschädigte Schadensersatzansprüche geltend machen können und auch kein Nutzungsersatz – oder zumindest nur teilweise – anzurechnen ist. Denn ansonsten würde Audi meines Erachten unangemessen entlastet“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Gasser.

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