Verbraucher können ihren Hauskredit vorzeitig zurückzahlen, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse besteht. Einer Kündigung des Darlehensvertrages bedarf es nicht.
Was ist eine Vorfälligkeitsentschädigung?
Als Vorfälligkeitsentschädigung (auch VFE) wird das Entgelt für die außerplanmäßige Rückführung eines Darlehens während der Zinsfestschreibungszeit bezeichnet. Ist das vertraglich vereinbarte Darlehen noch nicht ausgezahlt, spricht man von einer Nichtabnahmeentschädigung. Für diese gelten die Regeln der VFE analog
Den Banken und Sparkassen steht keine Vorfälligkeitsentschädigung zu
Der Bank oder Sparkasse steht in solchen Fällen nur dann eine Vorfälligkeitsentschädigung zu, wenn im Vertrag hinreichende Angaben über die Laufzeit, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers und die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung enthalten sind.
Nicht selten versuchen Banken oder Sparkassen, die Rechtslage zu ihren Gunsten zu beeinflussen und verlangen vom Kunden eine „Aufhebungsvereinbarung“. Darin „vereinbaren“ sie zugleich eine Vorfälligkeitsentschädigung.
Was ist ein berechtigtes Interesse für die Kündigung des Darlehensvertrages?
In Wirklichkeit bedarf es jedoch keiner Aufhebungsvereinbarung, weil dem Kunden das Recht zur vorzeitigen Erfüllung der Rückzahlungsverpflichtung schon von Gesetzes wegen zusteht, wenn er dafür ein berechtigtes Interesse hat. Ein berechtigtes Interesse liegt insbesondere dann vor, wenn der Darlehensnehmer ein Bedürfnis nach einer anderweitigen Verwertung der zur Sicherung des Darlehens beliehenen Sache, der Sicherungsgrundschuld, hat. Das berechtigte Interesse muss nur vorliegen. Es ist nicht erforderlich, dass die vorzeitige Rückzahlung aufgrund des Interesses zwingend geboten ist.
Liegt das berechtigte Interesse vor, bedarf es keiner Kündigung und auch keiner Aufhebungsvereinbarung, der Kunde kann vorzeitig zurückzahlen und kann so die Vorfälligkeitsentschädigung umgehen.
Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart
In dem vom OLG Stuttgart nunmehr entschiedenen Fall hatte der Darlehensnehmer – obwohl er ein berechtigtes Interesse hatte – mit seiner Sparkasse eine „Aufhebungsvereinbarung“ geschlossen und die von der Sparkasse verlangte Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von rund 12.500 € bezahlt. Diesen Betrag verlangte er jetzt zurück.
Das OLG Stuttgart entschied, dass der Darlehensnehmer diesen Betrag von der Sparkasse zurückverlangen kann. Maßgeblich dafür waren zwei Umstände:
Aufhebungsvereinbarung ist nichtiges Umgehungsgeschäft
Zum einen ist die „Aufhebungsvereinbarung“ ein nichtiges Umgehungsgeschäft. Dieses gibt der Sparkasse keinen Anspruch auf die Vorfälligkeitsentschädigung und es ist auch kein Rechtsgrund dafür, dass die Sparkasse die Vorfälligkeitsentschädigung behalten dürfte. Denn die gesetzlichen Vorschriften über die Möglichkeit der vorzeitigen Rückzahlung sind zwingendes Recht, das nicht durch Vereinbarungen umgangen werden kann.
Gesetzliche Vorschriften pro Verbraucher
Aufgrund der gesetzlichen Vorschriften hatte die Sparkasse ebenfalls keinen Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung, weil die Angaben über die Berechnung der VFE im Darlehensvertrag unzureichend waren. Dabei schloss sich das OLG Stuttgart nunmehr der Rechtsprechung weiterer Oberlandesgerichte und Landgerichte an, die bereits zuvor zu dem Ergebnis gelangt waren, das das Darlehensvertrag-Formular der Sparkasse, welches dem Deutschen Sparkassenverlag entstammte und bundesweit Verwendung gefunden hat, nicht ausreichend ist.
Dr. Ingo Gasser I Kiel
Rechtsanwalt Dr. Gasser, der bereits eine Vielzahl derartiger Mandate erfolgreich abschließen konnte, empfiehlt Betroffenen, die Rechtslage durch einen Rechtsanwalt überprüfen zu lassen. Darlehensnehmern, die zu Unrecht Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt haben, steht ein Rückforderungsanspruch zu.
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