Gericht Hammer 2

Auch wer bisher noch keine Schadenersatzansprüche im VW-Abgasskandal geltend gemacht hat, muss nicht leer ausgehen. Der Bundesgerichtshof bestätigte mit zwei Urteilen am 21. Februar 2022, dass immer noch ein Anspruch auf den sog. Restschadenersatz gem. § 852 BGB besteht (Az.: VIa ZR 8/21 und VIa ZR 57/21). Voraussetzung ist, dass das Fahrzeug vor Bekanntwerden des Abgasskandals am 22. September 2015 als Neuwagen gekauft wurde und der Kauf nicht länger als zehn Jahre zurückliegt.

Im September 2015 wurde der VW-Dieselskandal bekannt. Bei Fahrzeugen der Konzernmarken VW, Audi, Seat und Skoda mit dem Dieselmotor EA 189 waren die Abgaswerte manipuliert worden. Im Mai 2020 hat der BGH entschieden, dass sich VW durch die Abgasmanipulationen grundsätzlich schadenersatzpflichtig gemacht hat. Für diesen deliktischen Schadenersatzanspruch gilt allerdings eine Verjährungsfrist von drei Jahren. Heißt: Wer seine Ansprüche bislang noch nicht geltend gemacht hat, droht leer auszugehen.

Allerdings gibt es mit dem § 852 BGB noch eine Hintertür für die Schadenersatzansprüche. Nach dieser Regelung ist derjenige, der sich durch eine unerlaubte Handlung bereichert hat, zur Herausgabe dieser Bereicherung verpflichtet. Der BGH hat diese Hintertür nun auch für die Geschädigten des Abgasskandals weit aufgestoßen und entschieden, dass sich die Vorschrift auch im Dieselskandal anwenden lässt.

„Nach dem Urteil des BGH können Käufer eines von Abgasmanipulationen betroffenen Fahrzeugs mit dem Motor EA 189 immer noch Schadenersatz fordern. Der Anspruch auf Restschadenersatz nach § 852 BGB verjährt erst zehn Jahre nach Kauf des Autos“, sagt Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser aus Kiel.

Vor dem BGH ging es um einen VW Golf und einen VW Eos mit dem Dieselmotor EA 189. Die Kläger hatten die Fahrzeuge 2012 bzw. 2013 als Neuwagen gekauft. Nachdem der Abgasskandal im September 2015 aufgeflogen war, ließen beide Kläger das folgende Software-Update ausspielen. Schadenersatzansprüche machten sie allerdings erst 2020 geltend.

Das OLG Koblenz und das OLG Oldenburg wiesen die Klagen ab. Sie bestätigten zwar, dass die Kläger einen Schadenersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung hatten. Aufgrund der dreijährigen Verjährungsfrist sei dieser aber bereits verjährt. Ein Anspruch auf den sog. Restschadenersatz gemäß § 852 BGB bestehe nicht, entschieden die Oberlandesgerichte.

Dies sah der BGH nun anders: Er bestätigte zwar, dass die Verjährung der Schadenersatzansprüche gemäß § 826 Ende 2016 begonnen hat und die Ansprüche daher Ende 2019 verjährt seien. Allerdings stehe den Klägern in beiden Verfahren ein Anspruch auf Restschadenersatz gemäß § 852 BGB zu. VW habe die Kläger durch das Inverkehrbringen der Fahrzeuge mit der unzulässigen Abschalteinrichtung geschädigt und müsse daher nach § 852 BGB das Erlangte herausgeben, so der BGH.

Gegen Rückgabe des Fahrzeugs könnten die Kläger die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung verlangen. Herstellungs- und Bereitstellungskosten könne VW nicht vom Kaufpreis abziehen, entschied der BGH.

„Unterm Strich erhält der Kläger ebenso Schadenersatz wie nach § 826 BGB. Wer sein Auto nicht vor 2012 gekauft hat, kann immer noch Schadenersatzansprüche geltend machen“, sagt Dr. Gasser, Kooperationsanwalt der IG Dieselskandal. Das gilt allerdings nur, wenn das Fahrzeug als Neuwagen gekauft wurde. Bei Gebrauchtwagen besteht der Restschadenersatzanspruch nach der Rechtsprechung des BGH hingegen nicht.

Mehr Informationen: Der Volkswagen Abgasskandal in der Übersicht

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