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Daimler muss im Abgasskandal einen Mercedes CLS 350 CDI zurücknehmen und den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung erstatten. Das hat das Landgericht Stuttgart mit Urteil vom 30.10.2020 entschieden (Az.: 23 O 37/20).

„Auch wenn es für den Mercedes CLS 350 meines Mandanten keinen verpflichtenden Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt gegeben hat, konnte Daimler den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht widerlegen. Anstatt konkret darzulegen, warum Funktionen wie das Thermofenster oder die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung ausnahmsweise zulässig sein sollten, flüchtete Daimler sich in mehr oder weniger pauschale Behauptungen, dass in dem Fahrzeug keine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut sei. Damit kam Daimler erwartungsgemäß nicht durch und das Landgericht Stuttgart sprach meinem Mandanten Schadenersatz zu“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser aus Kiel.

Der Kläger hatte den Mercedes CLS 350 CDI 4Matic mit dem Dieselmotor OM 642 und der Abgasnorm Euro 5 im Juni 2014 als Gebrauchtwagen gekauft. Daimler bot für das Modell im Rahmen einer freiwilligen Maßnahme ein Software-Update an; einen verpflichtenden Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) gab es bislang nicht. Der Kläger ließ das Update zwar aufspielen, machte aber auch Schadenersatzansprüche geltend. Bei dem verwendeten Thermofenster bei der Abgasrückführung (AGR) und der Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung handele es sich um unzulässige Abschalteinrichtungen. Die Grenzwerte für den Stickoxid-Ausstoß würden dadurch zwar im Prüfmodus eingehalten, im realen Straßenverkehr aber gerissen.

Das LG Stuttgart gab der Klage weitgehend statt. In dem Fahrzeug komme mindestens eine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz. Der Kläger sei dadurch vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden und habe Anspruch auf Schadenersatz, so das Gericht.

Während der Kläger hinreichend bestimmte Tatsachen für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorgetragen habe, habe Daimler nur wenig Erhellendes zur Funktionsweise der Abschalteinrichtungen beigetragen und nicht dargelegt, warum sie ausnahmsweise zulässig sein sollten. Überwiegend geschwärzte Auszüge aus der Kommunikation mit dem KBA seien nicht aussagekräftig, so das LG Stuttgart. Wer sich auf Ausnahmeregelungen berufe, müsse im Rahmen der sekundären Darlegungslast auch ausführen, warum der Ausnahmetatbestand erfüllt sein sollte. Dieser Darlegungslast sei Daimler nicht nachgekommen. Auch die Tatsache, dass kein amtlicher Rückruf des KBA vorliegt, entlaste Daimler nicht. Denn das bedeute nicht, dass ein Rückruf von vornherein ausgeschlossen war oder es für die Zukunft ist. Eine unzulässige Abschalteinrichtung könne zum Verlust der Zulassung führen.

Es sei davon auszugehen, dass der Kläger das Fahrzeug bei Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht gekauft hätte. Der Schaden sei ihm schon mit Abschluss des Kaufvertrags entstanden, der rückabgewickelt werden müsse.

Der Kläger hatte den Mercedes für knapp  43.000 Euro gekauft und ist rund 82.500 Kilometer mit dem Auto gefahren. Daimler muss das Fahrzeug zurücknehmen und den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von ca. 12.400 Euro für die gefahrenen Kilometer erstatten. Der Kläger erhält noch rund 30.500 Euro.

Der Kläger muss die Funktionsweise einer Abschalteinrichtung nicht im Detail kennen. Es reicht, wenn er hinreichend greifbare Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung liefert. Ist das der Fall, trifft den Autohersteller eine sekundäre Darlegungslast und er muss Funktionsweise und Zulässigkeit der Abschalteinrichtungen erklären. Das hat der BGH bereits im Januar klargestellt. Auf einen verpflichtenden Rückruf durch das KBA komme es dabei nicht an.

„Seitdem setzen immer mehr Gerichte diese Rechtsprechung des BGH konsequent um und nehmen Daimler im Abgasskandal in die Pflicht. Es zeigt sich immer wieder, dass Daimler dieser Darlegungslast nicht nachkommt und den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht widerlegen kann. Die Chancen für geschädigte Mercedes-Kunden Schadenersatz durchzusetzen, steigen dadurch weiter“, sagt Rechtsanwalt Dr. Gasser, Kooperationspartner der IG Dieselskandal.

Mit dem OLG Naumburg und dem OLG Köln haben inzwischen auch zwei Oberlandesgerichte Daimler im Abgasskandal zu Schadenersatz verurteilt.

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