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Vorfälligkeitsentschädigung zurückholen – Urteil des Saarländischen OLG vom 26.01.2023

Ein Verbraucher kann sich freuen: Er muss der Bank für die vorzeitige Ablösung seines Immobiliendarlehens keine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen. Das hat das Saarländische Oberlandesgericht mit Urteil vom 26. Januar 2023 entschieden (Az. 4 U 134/21). Zur Begründung führte es aus, dass die Bank die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht ausreichend dargestellt habe.

Grundsätzlich haben Banken bei einer vorzeitigen Ablösung eines Darlehens Anspruch auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung. Diesen Anspruch können die Kreditinstitute gemäß § 502 Abs. 2 Nummer 2 BGB jedoch verlieren, wenn sie im Vertrag nur unzureichende Angaben über die Laufzeit des Vertrags, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung gemacht haben. „Gerade über die ordnungsgemäße Darstellung der Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung sind schon einige Banken und Sparkassen gestolpert. Verschiedene Landgerichte haben bereits entschieden, dass sie deshalb keinen Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung haben. Mit dem Saarländischen OLG hat sich nun auch ein Oberlandesgericht dieser Rechtsprechung angeschlossen“, sagt Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser aus Kiel.

Unzureichende Aufklärung über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung

In dem zu Grunde liegenden Fall hatte der Darlehensnehmer sein Immobiliendarlehen vorzeitig abgelöst. Die Vorfälligkeitsentschädigung, die er bereits an die Bank gezahlt hatte, forderte er nun zurück und begründete dies damit, dass die Bank nur unzureichend über die Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung aufgeklärt habe.

Das OLG in Saarbrücken folgte der Argumentation des Klägers und entschied, dass die Bank keinen Anspruch auf die Vorfälligkeitsentschädigung habe. Dies begründete das Gericht damit, dass die Informationen der Bank zur Berechnung der Entschädigung unzureichend bzw. fehlerhaft sind.

So habe die Bank den Eindruck erweckt, dass die restliche Vertragslaufzeit Grundlage für den Berechnungszeitraum ist. Da ein Darlehen gem. § 489 BGB unter Einhaltung einer Kündigungsfrist zehn Jahre nach vollständigen Empfang des Darlehens erstmalig gekündigt werden kann, ist allerdings der Zeitpunkt des nächstmöglichen ordentlichen Kündigungstermins für die Berechnung maßgeblich. „Dieser liegt häufig vor dem Ende der Vertragslaufzeit, so dass die Vorfälligkeitsentschädigung entsprechend niedriger ausfällt“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Gasser.

Sondertilgungsrechte müssen berücksichtigt werden

Weiter stellte das OLG Saarbrücken klar, dass auch Sondertilgungsrechte bei der Berechnung der Entschädigung zu Gunsten des Kunden berücksichtigt werden müssen und dies auch klar aus den Informationen für den Kreditnehmer hervorgehen muss. Auch durch die Berücksichtigung der Sondertilgungsmöglichkeiten fällt die Vorfälligkeitsentschädigung in der Regel niedriger aus.

Schließlich  bemängelte das OLG, dass Angaben zur Berechnung des Zinsschadens fehlerhaft sind, wenn dazu Kapitalmarkttitel öffentlicher Schuldner herangezogen werden und es gleichzeitig günstigere Alternativen wie z.B. Hypothekenpfandbriefe gibt.

Mit diesem Urteil liegt nunmehr ein Urteil eines Oberlandesgerichts vor, dass insbesondere den Kunden von Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie des Sparkassenverbundes die Möglichkeit eröffnet, die Vorfälligkeitsentschädigung zu vermeiden und bereits gezahlte Vorfälligkeitszinsen zurückzufordern.

Drei rechtliche Gesichtspunkte

Das OLG Saarbrücken hat drei rechtliche Gesichtspunkte erkannt, aufgrund derer eine unzureichende Information über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung (VfE) durch die Bank erteilt worden ist:

1. Die fehlerhafte Information über den Zeitraum der geschützten Zinserwartung

2. Unzureichende Belehrung über die Berechnung des Zinsschadens unter Zugrundelegung der Renditen von „Kapitalmarkttiteln öffentlicher Schuldner“

3. Der fehlende Hinweis auf die Berücksichtigung der Sondertilgungsoption

Welche Chancen haben Kreditnehmer?

Sehr gute Chancen haben somit Kreditnehmer, bei denen folgende Voraussetzungen gegeben sind:

• Immobiliendarlehensvertrag als Verbraucher abgeschlossen ab dem 21.3.2016

• Unklarer oder fehlerhafter Hinweis über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung

„Das Saarländische OLG hat die Rechte der Darlehensnehmer mit diesem Urteil gestärkt. Verbraucher haben gute Chancen, eine Vorfälligkeitsentschädigung zu umgehen oder eine bereits gezahlte Entschädigung zurückzufordern, wenn die Bank die Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung nicht ausreichend dargestellt hat“, so Rechtsanwalt Dr. Gasser. Gerade bei der vorzeitigen Ablösung von Immobiliendarlehen werden schnell Vorfälligkeitsentschädigungen von mehreren tausend Euro fällig. „Kreditnehmer können nun prüfen lassen, ob ihre Bank überhaupt einen rechtlichen Anspruch auf die Leistung einer Vorfälligkeitsentschädigung hat“, so Rechtsanwalt Dr. Gasser. Mehr Informationen: https://www.ingogasser.de/vorfaelligkeitsentschaedigung/

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