Der BGH hat sich mit Beschluss vom 19. Januar 2021 erstmals zum Thermofenster bei Daimler geĂ€ußert (Az. VI ZR 433/19). Danach ist klar: Alleine die Verwendung eines Thermofensters bei der AbgasrĂŒckfĂŒhrung begrĂŒndet noch keine vorsĂ€tzliche sittenwidrige SchĂ€digung. Das kann sich aber schnell Ă€ndern, wenn weitere Merkmale einer SchĂ€digung hinzukommen. Ob das in dem vorliegenden Fall so ist, muss das OLG Köln entscheiden, nachdem es zuvor eine Nichtzulassungsbeschwerde des KlĂ€gers als „Vortrag in Blaue“ abgewiesen hat. Damit habe das OLG dem KlĂ€ger den Anspruch auf rechtliches Gehör verweigert, rĂŒgte der BGH.

„Nun muss das OLG Köln den Fall neu aufrollen und Daimler muss die Karten auf den Tisch legen. Im Rahmen seiner sekundĂ€ren Darlegungslast muss der Autohersteller nun erklĂ€ren, welche Angaben er gegenĂŒber dem Kraftfahrt-Bundesamt zur Funktions- und Wirkungsweise des Thermofensters gemacht hat. Bisher hat Daimler an diesem Punkt immer gemauert und nur unvollstĂ€ndige oder geschwĂ€rzte Unterlagen vorgelegt. Damit dĂŒrfte nun Schluss sein, wenn Daimler den Vorwurf der sittenwidrigen SchĂ€digung widerlegen will“, sagt Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser aus Kiel.

In dem Fall vor dem BGH hatte der KlÀger im Januar 2012 einen Mercedes C 220 CDI mit dem Dieselmotor OM 651 als Neuwagen gekauft. Der Pkw hat die Zulassung nach der Abgasnorm Euro 5.

Einen RĂŒckruf des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) gab es fĂŒr das Modell nicht. Der KlĂ€ger machte aber SchadenersatzansprĂŒche aufgrund der Verwendung einer unzulĂ€ssigen Abschalteinrichtung in Form eine Thermofensters bei der AbgasrĂŒckfĂŒhrung geltend. Das Thermofenster bewirke bei Außentemperaturen unter 10 Grad, dass die AbgasrĂŒckfĂŒhrung reduziert und schließlich ganz abgeschaltet wird. Diese Funktion sei eine unzulĂ€ssige Abschalteinrichtung, die Daimler dem KBA nicht mitgeteilt und verschleiert habe.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der BGH hat nun auf Nichtzulassungsbeschwerde des KlĂ€gers das Urteil wegen Verletzung rechtlichen Gehörs aufgehoben und die Sache ans OLG zurĂŒckverwiesen.

Der BGH bestĂ€tigte zwar, dass die Verwendung eines Thermofensters alleine nicht ausreicht, um einen Schadenersatzanspruch wegen vorsĂ€tzlicher sittenwidriger SchĂ€digung zu begrĂŒnden. Stellt sich jedoch heraus, dass die fĂŒr den Hersteller handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten eine unzulĂ€ssige Abschalteinrichtung zu verwenden und diesen Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen haben, komme Sittenwidrigkeit jedoch in Betracht. FĂŒr diese Annahme habe der KlĂ€ger entsprechende Anhaltspunkte vorgetragen, wonach Daimler im Typengenehmigungsverfahren unzutreffende Angaben zur Arbeitsweise des AbgasrĂŒckfĂŒhrungssystems gemacht habe. Dies habe das OLG nicht einfach ignorieren und so den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzen dĂŒrfen.

„Ob durch die Verwendung eines Thermofensters eine vorsĂ€tzliche sittenwidrige SchĂ€digung vorliegt, hat der BGH nicht entschieden. Klar ist aber, dass Daimler im Abgasskandal offenlegen muss, welche Angaben im Genehmigungsverfahren gemacht wurden. Das hĂ€tte Daimler schon lange machen können, wenn es nichts zu verbergen gibt“, so Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser, Kooperationsanwalt der IG Dieselskandal.

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